Der richtige Umgang mit der eigenen Behinderung oder chronischen Erkrankung – Wann und wie sollte ich sie ansprechen?
Eine der zentralsten Fragen in Bewerbungsverfahren oder beim Antritt einer neuen Arbeitsstelle ist der richtige Umgang mit der eigenen Behinderung oder chronischen Erkrankung. Eine allgemeingültige Patentlösung gibt es diesbezüglich leider nicht. Schließlich ist die Offenlegung von gesundheitlichen Problemen oder eigenen Beeinträchtigungen eine sehr individuelle und persönliche Entscheidung der betroffenen Person.
Die Frage ist also: Was ist im Rahmen eines Bewerbungs- oder Auswahlverfahren für eine ausgeschriebene Arbeitsstelle erlaubt und was ist nicht erlaubt? Nicht selten befürchten Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, dass die Offenbarung der eigenen körperlichen Unversehrtheit oder eines psychischen bzw. seelischen Leidens, die Chance auf den Erhalt des freien Arbeitsplatzes entscheidend verringern. Auch ein direktes Ausscheiden als Bewerbungskandidat Stellenbesetzungsverfahren wird oftmals vermutet.
Grundsätzlich gilt daher, dass es keine Verpflichtung zur Angabe der eigenen Behinderung oder von Erkrankungen gegenüber Personaler*innen oder Arbeitgeber*innen gibt. Nur in Ausnahmefällen besteht eine Art von Auskunftspflicht, beispielsweise wenn die eigene Beeinträchtigung Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und damit auf vollumfängliche Erfüllung des zugewiesenen Tätigkeitsprofils hat.
Dennoch steht es den Arbeitgeber*innen in einem Bewerbungsgespräch nicht zu, nach einer möglichen Behinderung oder chronischen Erkrankung zu fragen, selbst wenn diese für ihn offensichtlich erscheint. Arbeitgeber*innen müssen die Regelungen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) und ggf. des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) beachten. Zudem unterliegen Öffentliche Arbeitgeber*innen im Stellenbesetzungsprozess besonderen Verpflichtungen (§165 SGB IX).
Hat ein offener und transparenter Umgang mit der eigenen Behinderung automatisch bzw. grundsätzlich Nachteile für die Betroffenen?
Die Antwort ist „Nein“! Die Angabe einer Behinderung bietet mit Blick auf die aktuelle sozialrechtliche Rechtsprechung in Deutschland vielfältige Entlastungsleistungen und Nachteilsausgleiche, wie beispielsweise die Möglichkeit der Gleichstellung von Menschen ohne Schwerbehindertenstatus, die Finanzierung von technischen Hilfen oder eine behinderungsspezifische Arbeitsplatzanpassung. Mittels dieser gesetzlich verankerten Hilfe- und Unterstützungsleistungen haben schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen und ihnen gleichgestellte Personen unterschiedliche Förder- und Entlastungsmöglichkeiten im Hinblick auf ihre volle wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben. Einerseits werden also die besonderen Erschwernisse in Bezug auf den Zugang zu Erwerbarbeit sowohl berücksichtigt als auch abgefedert. Anderseits dient diese Gesetzgebung zugleich der Aufrechterhaltung von bestehenden Beschäftigungsverhältnissen behinderter Arbeitnehmer*innen. Für Arbeitgeber*innen, die sich für die Anstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen entscheiden, hat der Gesetzgeber eine Reihe von finanziellen Anreizen gesetzt, um das Interesse und die beruflichen Zugänge zur sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit zu fördern (z.B. Lohnkostenzuschüsse).
Tipps und Hinweise zu dem Thema finden Sie auch in der Broschüre „Erfolgreich bewerben“ des Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker im Download-Bereich.
Außerdem hat die Universität zu Köln im Rahmen eines Projekts die Plattform Sag ich´s entwickelt. Die Seite soll Arbeitnehmer*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen dabei unterstützen, einen für sich passenden Umgang mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung am Arbeitsplatz zu finden.
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