iXNet-Podcast – 70 Jahre Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker - Das Jubiläum am 05.11.2024
Liebe Hörerinnen und Hörer des iXNet-Podcast,
in diesem iXNet-Podcast geht es um die Jubiläumsfeier am 5. November 2024 des Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker. Er ist Teil der Bundesagentur für Arbeit und gehört dort zur Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV).
So ging es los (M. Jäger) /Ich persönlich bin mit der ZAV 1995 in Kontakt getreten. Ich hatte Jura studiert gehabt und trotzdem war es für mich unheimlich schwierig, einen Job zu finden. (J. Dusel)/ Ich denke vor allem an ganz viel Engagement von unseren mitarbeitenden Kolleginnen und Kollegen und an ganz viel Einsatz für unsere Bewerberinnen und Bewerber (Dr. T. Schweizer)
Ich finde es wichtig, dass es die ZAV gibt, dass wir mehr Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen schaffen (Dr. P. Mozet)/ Und das auch mit der Besonderheit, dass wir eben beide Marktseiten bedienen, dass wir sowohl Arbeitnehmer-Kunden als auch Arbeitgeber-Kunden betreuen. (K. Schuldes) /Den Menschen das Gefühl vermitteln, dass die Behinderung keinen minderwertigen Menschen aus ihnen macht (U. Seyler)/
Jürgen Dusel:
....1954 – was fällt einem dazu ein? Als allererstes fällt einem dazu ein, dass die ZAV gegründet wurde. Dann gab es noch so Nebensächlichkeiten wie das Berner Wunder, also die Fußballweltmeisterschaft, ich habe mitbekommen, dass Nasser Präsident in Ägypten wurde und eine ganz besondere Person wurde geboren, und zwar Dieter Bohlen.... Das passierte alles 1954....
Andreas Brüning
Das sagte Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen anlässlich der 70-Jahr-Feier der ZAV in Bonn.
Jürgen Dusel
Ich persönlich bin mit der ZAV 1995 in Kontakt getreten, und zwar weil man mir bei der Arbeitsagentur, damals hieß das noch Arbeitsamt Weinheim, ich komme aus der Ecke von Heidelberg, gesagt hat: Oh Gott, was können wir mit Ihnen anfangen? Und dann habe ich gesagt, ich weiß das auch nicht so genau, aber es gibt da in Frankfurt so eine Stelle, die ZAV, ich weiß das auch nicht so genau. Und dann war die Sachbearbeiterin richtig froh und sagte: Genau dahin schicke ich ihre Akten. Und so kam ich zur ZAV. Ich hatte Jura studiert gehabt, ich habe einen Teil meiner Ausbildung in Israel gemacht, ich war viel in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Und trotzdem war es – obwohl die Examina jetzt nicht besonders schlecht waren, unheimlich schwierig, einen Job zu finden. Weil ich immer wieder auf Stereotype und Vorurteile gestoßen bin, die sich bis zum heutigen Tag halten und immer wieder weiter transportiert werden: Menschen mit Behinderung seien häufiger krank, Menschen mit Behinderung seien nicht so leistungsfähig. Im Grunde genommen könnte man auch deren Examina- Noten nicht so ernst nehmen, weil die einen bestimmten Bonus bekommen irgendwie. Und das sei schlimmer als in der Ehe, wenn Du einen einstellst, kriegst Du ihn nicht mehr los. Diese Vorurteile haben dazu geführt, dass ich durch viele Umwege in Berlin gelandet bin. Und jetzt in der zweiten Amtszeit Beauftragter der Bundesregierung bin.
Andreas Brüning
Jürgen Dusel ist nur einer von vielen Prominenten, der heute auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken kann. Dank der ZAV. Auch Annetraut Grote, auch sie Juristin, kam Dank dieses speziellen Services zu ihrem Job.
Annetraut Grote
Ich bin ganz eng über viele Jahre mit den Leistungen der ZAV verknüpft. Erstens weil ich vor 27 Jahren meinen ersten Job über die Vermittlung der ZAV erhalten habe, als Juristin am Paul-Ehrlich-Institut – im Rechtsreferat Inklusionsprojekte mit anderen, auch andere in Lohn und Brot zu bringen. Das hat sicher dazu geführt, dass ich im Bereich Inklusion keine ganz Unbekannte bin und das wiederum hat dazu geführt, dass ich vor einem Jahr ungefähr vom Land Niedersachsen zur niedersächsischen Inklusionsbeauftragten berufen wurde. Und in dieser Funktion versuche ich ganz viel zu tun für Menschen mit Behinderung, nicht nur im Bereich Arbeit, sondern von der Kita bis zur Palliativversorgung ein viel breiteres Spektrum. Aber ich arbeite immer wieder sehr gerne mit den Kollegen und Kolleginnen von der ZAV zusammen und hoffe, dass es diesen Arbeitgeber-Service noch sehr lange geben wird.
Andreas Brüning
Jürgen Dusel und Annetraut Grote, sind zwei prominente Beispiele. Sie stehen für eine erfolgreiche Vermittlung in den Arbeitsmarkt und damit für den Erfolg der ZAV. Beide Lebenswege sind ermutigend. Denn sie zeigen: Eine Behinderung ist eine Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt, aber sie ist keine unüberwindliche Hürde. Um beim Hürdenlauf nicht hängenzubleiben, braucht es Menschen wie Michael Sebus. Er steht kurz vor der Rente, ist mit Freude seit 2016 Arbeitsvermittler und profitierte von seinen Erfahrungen im Vertrieb.
Michael Sebus
Ich bin glaube ich ein extrovertierter Typ, der gerne mit Kunden und Kollegen im Austausch steht, in der Kommunikation, dessen Leben eigentlich immer war, im Austausch mit Menschen zu stehen. Das ist der Schwerpunkt. Und wenn man noch eine sinnstiftende Tätigkeit damit verbinden kann, dann macht das glücklich, und hält einen vor allen Dingen jung. Das verknüpfe ich mit meiner Arbeit und da hoffe ich natürlich auch, dass ich Hilfe oder Stütze für die bin, die sich an uns wenden und da hoffe ich, dass positive Signale nach außen gesendet werden können.
Andreas Brüning
Die 70 Jahr-Feier am 05.November 2024, die insbesondere den Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker und ihre Netzwerkpartnerinnen und -partner auf der Bühne sichtbar werden lässt, ermöglicht Begegnungen und setzt positive Netzwerk-Signale, sagt Frederic Jüdes, der neue Koordinator des Teams. Er möchte aber auch die Außenwirkung erhöhen und stellt sich vor....
Frederic Jüdes
...dass wir noch präsenter werden, dass man uns draußen noch mehr wahrnimmt, durch externe Träger, aber auch in den Ministerien, bei den großen Firmen. Heute haben wir zum Beispiel bei der Jubiläumsveranstaltung Herrn Gutzeit vom Unternehmensforum oder verschiedene Personen von Inklusionsämtern mit dabei.
Andreas Brüning
Gut 130 behinderte Akademikerinnen und Akademiker pro Jahr vermittelt die ZAV in den Arbeitsmarkt. Sie bietet um die 350 Beratungen, Peer-Coaching sowie 160 bis 180 Veranstaltungen – an. In Präsenz oder virtuell. Selbstorganisiert oder von Kooperationspartner*innen und Arbeitgebern durchgeführt. Immerhin, könnte man sagen, denn Bewerber*innen müssen Schwerarbeit leisten – trotz ihrer Einschränkung Höchstleistungen erbringen. Die Behinderung fordert viel Aufmerksamkeit, der Job ebenso. So gesehen, arbeiten Schwerbehinderte doppelt so intensiv. Christina Stabel gehört zum zwölfköpfigen ZAV-Team, bei der Arbeitsvermittlerin hinterlässt ihre Kundschaft häufig einen WOW-Effekt.
Christina Stabel
Mich beeindruckt nach wie vor, von Anfang an und immer wieder, und daran hat sich auch nichts geändert, mit welchen Einschränkungen die Leute kämpfen, mit welcher Art von Behinderung und dabei gleichzeitig aber auch, welch tolle Qualifikationen, Studienabschlüsse sie erreichen, tolle Noten, auch tolle Berufswege hinlegen und dabei trotzdem mit ihrer Einschränkung leben. Das beeindruckt mich immer wieder, ohne, dass an einem bestimmten Kandidaten festmachen zu können.
Andreas Brüning
Auch wenn Christina Stabel von ihrer Kundschaft überzeugt ist, viele Arbeitgeber sind es – noch – nicht. Etwa 10.000 arbeitslose Akademiker (Stand Oktober 2024) – Frauen wie Männer – in Deutschland sind schwerbehindert. Jürgen Dusel, der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, findet das absurd. Warum müssen Hochqualifizierte Däumchen drehen, wenn Unternehmen gleichzeitig händeringend nach Fachkräften suchen?
Jürgen Dusel
Meine Damen und Herren, ich habe ein Motto gewählt für meine Amtszeit, und ich habe das Motto auch in der zweiten: Dieses Motto heißt: Demokratie braucht Inklusion. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Inklusion zum Modewort degeneriert ist. Alle wollen inklusiv sein. Man hört sogar, Werkstätten für Behinderte seien ein Ort der Inklusion, hier werde Inklusion gelebt. Überall steht Inklusion drauf, aber nicht überall Inklusion drin. Menschen mit Behinderungen sind Bürger unseres Landes, sie haben das gleiche Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt wie alle Menschen auch. Klingt ziemlich profan, aber ist, wenn wir uns die Arbeitslosenzahlen anschauen, überhaupt nicht Realität. Wir haben die absurde Situation, dass auf der einen Seite Fach- und Arbeitskräfte verzweifelt gesucht werden und wir auf der anderen Seite viele qualifizierte Menschen mit Schwerbehinderungen haben, die keinen Job kriegen. Wenn ich mir vorstelle, dass wir uns leisten können, volkswirtschaftlich, dass wir knapp 10.000 Akademikerinnen und Akademiker ohne Job haben, dann fragt man sich: Was ist eigentlich der Grund dafür? Auf der einen Seite wird gesucht. Auf der anderen Seite kommen die Leute immer noch sehr schwer rein. Und wenn man sich die Gruppen von arbeitslosen Menschen anschaut, und vergleicht die Gruppe der schwerbehinderten arbeitslosen mit der Gruppe der nichtbehinderten Arbeitslosen, dann ist auch die Gruppe der schwerbehinderten Arbeitslosen immer noch deutlich besser qualifiziert als die Gruppe der nichtbehinderten arbeitslosen Menschen. Wir haben also im Grunde eine paradoxe Situation.
Andreas Brüning
Was also tun? Der Job muss zum Bewerber oder zur Bewerberin – oder umgekehrt. Die ZAV-Vermittlerinnen und Vermittler bringen beide zusammen, diejenigen, die einen Job zu vergeben haben und die, die arbeiten wollen. Ihre Klientel sind hochqualifizierte Fachkräfte. Torsten Prenner fühlte sich anfangs oft eingeschüchtert.
Torsten Prenner
Ich bin eigentlich positiv überrascht worden, dass ich eigentlich ganz selten erlebt habe, dass Leute auf ihrem akademischen Grad herumgeritten sind, sondern bin da eigentlich immer auf Menschen gestoßen, die einfach dankbar waren für jede Hilfe, für jede Unterstützung, die immer irgendetwas schaffen wollten, immer etwas angepackt haben. Das war überhaupt nicht wie ich am Anfang gedacht habe, das könnte vielleicht schwierig werden mit den Akademikern. Da musst Du fachlich absolut tief unterwegs sein, da kannst Du viel falsch machen. Gar nicht. Die Leute haben einem geholfen, die haben einen weitergebracht, die haben einem Sachen erklärt, so dass das ein Lernprozess war, das fand ich sehr angenehm und das hat mich positiv überrascht.
Andreas Brüning
Torsten Prenner ist schon seit einem Vierteljahrhundert bei der ZAV. Sein Job als Arbeitsvermittler sei es „Gelegenheiten zu schaffen“. Die Tür einen Spalt breit zu öffnen, damit Akademikerinnen und Akademiker mit Behinderungen einen Fuß hineinbekommen. Sind sie erstmal drin, können sie sich beweisen und zeigen, was sie können. Doch erstmal brauchen sie eine Chance.
Torsten Prenner
Viele Menschen sind besonders, weil sie bestimmte Qualifikationen mitbringen, Sprachkenntnisse, aber auch weil sie eben bestimmte Behinderungen, bestimmte Einschränkungen haben. Und wenn ich das habe, ist es vielleicht eine besondere Herausforderung, jemand beruflich zu integrieren. Wenn ich jemand habe, der nicht laufen kann, bringt es nichts, wenn ich dem sage: Du musst da diese zwei Etagen hoch. Ich muss mich darum kümmern, dass der an seinen Arbeitsplatz kommt oder eine andere Lösung finden. Und ich denke, ganz viele Lösungen ergeben sich dann, wenn man Menschen zusammenbringt. Wenn die Leute erstmal anfangen können, dann ist eine Akzeptanz da bei den Kolleginnen und Kollegen. Das ist das, was ich heute sagen würde: Das müssen wir schaffen, für schwerbehinderte Menschen Gelegenheiten schaffen, sich zu beweisen, mitarbeiten zu können, einen Arbeitsplatz zu finden. Wenn die dann erstmal da sind, ist es auch so, dass sich dann Probleme, die vorher vielleicht ein Riesenthema waren, auf einmal auflösen. Und wo dann auf einmal auch alle bereit sind, mitzuwirken und diese Probleme zu lösen.
Andreas Brüning
Das heißt: Viel reden, Überzeugungsarbeit leisten, Netzwerke schaffen. Einer der das besonders gut konnte ist Reiner Schwarzbach – eine ZAV-Legende von 1985-2010 geradezu. Er ließ sich vom Vorschriftendschungel nicht einengen und ging auch mal unkonventionelle Wege. Bei seinen Kollegen war er als begnadeter Netzwerker und Mann mit großem Telefonbuch bekannt – Arbeitsvermittler Torsten Prenner beschreibt ihn so.
Torsten Prenner
Reiner Schwarzbach war einfach ein extrem unkomplizierter Typ. Ich weiß noch, wie das damals lief. „Ihr Gespräch ist gut gelaufen, aber da kommt nochmal der Leiter der ZAV. Der Leiter des Bereichs, der kommt nochmal bei Ihnen in der Dienststelle vorbei, und dann habe ich gesagt: Was? Ziehst Du jetzt nochmal einen Anzug an. Dann ging die Tür auf damals im Büro in der Arbeitsagentur Köln-Porz und da stand Rainer Schwarzbach da – in Motorradjacke, zwar einen Anzug an, aber Helm unterm Arm, dienstlich unterwegs. Und so war er: Zwar chic, aber auch hemdsärmelig, ein absoluter Netzwerker, immer so lösungsorientiert. Nicht so exakt nach Vorschrift, klar war das auch ein Thema, aber immer: Wie finde ich jetzt eine Lösung. Wie kann in den in Arbeit bringen Wen kann ich ansprechen. Wenn man im Außendienst nach München gefahren ist, dann bist Du zu Reiner Schwarzbach gegangen: Hast Du da noch einen Arbeitgeber, den ich unbedingt kennenlernen sollte, oder einen Ansprechpartner. So ist man ganz schnell in die Kreise, in diese Netzwerke gekommen, hat Verbindungen geschaffen. Dafür steht für mich Reiner Schwarzbach. Wir haben irgendwann mal gescherzt, und gesagt, wir müssten ihm so eine Telefonnummer einrichten, wo bezahlt wird, dann finanziert sich dieser Bereich über die Telefonate. Denn der hing eigentlich immer am Telefon und hat Leute vor Ort getroffen. Das ist für mich Reiner Schwarzbach.
Andreas Brüning
Uwe Frevert steht mit seinem E-Rollstuhl im Skulpturenflur der ZAV in Bonn. Gerade noch hat er auf dem Podium gesessen und mit anderen Expert*innen die letzten 40 Jahre Inklusionsarbeit Revue passieren lassen. Frevert ist Vorstandsmitglied des Interessenverbandes Selbstbestimmt Leben – kurz ISL e.V. Und er plädiert aus eigener Erfahrung dafür, nicht nur den eigenen Bauchnabel zu betrachten, sondern auch über den Tellerrand zu schauen – was könnten wir als Gesellschaft von anderen Ländern lernen in Sachen Inklusion? Er hat positive Erfahrungen in den USA gemacht.
Uwe Frevert
Ich bin einer von denen, die in den USA die Menschenrechte für Behinderte kennengelernt haben, In den 70er Jahren habe ich Praktikum gemacht in den USA, Los Angeles, oder St.Louis, San Francisco natürlich. Man hatte uns damals, als ich studierte, in Deutschland erzählt, dass man keinen behindertengerechten öffentlichen Nahverkehr installieren kann. Ich habe mein Praktikum in den USA gemacht und siehe da: Los Angeles, weitgehend behindertengerechter öffentlicher Nahverkehr mit deutschen Linienbussen von MAN und Neoplan. Und das war für mich ein erhellender Faktor. Halt, hier geht irgendwas schief in Deutschland. Warum kann Los Angeles mit behindertengerechten Bussen ausgestattet werden, aber in Deutschland scheint das nicht möglich zu sein. Das war der erhellende Fact, es gibt also Menschenrechte neben dem Sozialstaat, den es gab und immer noch gibt, und das haben wir versucht zu verbinden.
Andreas Brüning
Politischer Aktivismus, für die eigenen Rechte einstehen, dafür kämpfen, selbstbestimmtes Leben – das gehört aus seiner Sicht zusammen. Die Zentren Selbstbestimmtes Leben sind aber auch Arbeitgeber, sagt der ISL-Vorstand. Sie haben nicht nur von der ZAV profitiert, sondern auch die Sache der Selbstbestimmung an sich. Uwe Frevert verfolgt somit ein durch und durch politisches Anliegen.
Uwe Frevert
Durch diese gezielte Förderung der schwerbehinderten Akademiker – Menschen die studiert haben, die jetzt in einem akademischen Berufsleben einsteigen wollen, hat die ZAV maßgeblich das Bild verändert. Auch natürlich, weil die Zentren für selbstbestimmtes Leben dadurch gefördert wurden. Wir haben eine besondere Rolle, diese Zentren für selbstbestimmtes Leben. In unseren Organisationen müssen die Leitungsfunktionen mit Schwerbehinderten besetzt werden und wir versuchen, auch in anderen Positionen Schwerbehinderte zu beschäftigen – auch in den unteren Ebenen. Und das ist gelungen in einem Maße, das sich sehen lassen kann.
Andreas Brüning
Auch die Inklusions-Szene selbst profitiert also vom Engagement der ZAV-Vermittlerinnen und Vermittler. iXNet, ein Service der ZAV, spinnt ein Netzwerk für schwerbehinderte Akademiker*innen. Abdel Hafid Sarkissian gehört dazu, er ist Rehabilitationspädagoge, Dozent und Sozialwissenschaftler. Er spielt im Rollstuhl Basketball und sieht sich selbst als Bereicherung für andere, sagt er. iXNet hält er für eine gute Ergänzung zum Arbeitsvermittlungsangebot der ZAV.
Abdel Hafid Sarkissian
Ich glaube, dass es eine wertvolle Ergänzung des Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker ist, weil es noch mal stärker dieses Peer-to-Peer forciert – und weil es nochmal auf zwei Ebenen deutlich macht: Dass sowohl Erfahrungswissen als auch Kompetenz eine wunderbare Synergie eingehen können.
Andreas Brüning
Was steht also auf der Habenseite? Die ZAV-Geschäftsbereichsleiterin Annette Tigges-Thies bemerkt eine Veränderung in Unternehmen, wenn sie sich für behinderte Akademikerinnen und Akademiker in der Belegschaft öffnen.
Annette Tigges-Thies
Unternehmen, die mit uns den Weg gegangen sind, haben häufig sehr positive Erfahrungen auch gemacht, sowohl in der Innenschau, wie gut es der Belegschaft tut, als auch dem ganzen Unternehmen tut, als auch dass viele Vorurteile durch das persönliche Kennen abgebaut werden können und auch abgebaut wurden. Und da hat die ZAV sehr gute Netzwerke aufgebaut und hält sie auch. So hat sie eine Vertrauensbasis zu vielen Ministerien und Behörden aufgebaut, dass man diesen Weg dann auch gemeinsam geht.
Manfred Jäger
Wie ging es los. Im Herbst 1954 hat das Ganze hier gestartet....
Andreas Brüning
Für mehr Inklusion und Chancengleichheit am Arbeitsmarkt setzt sich auch Manfred Jäger ein. Er ist Gesamtgeschäftsführer der ZAV Bonn und blickt mit den 70 Jubiläumsgästen auf die Anfänge im Jahr 1954 zurück. Damals beauftragte der erste Präsident der heutigen Bundesagentur für Arbeit Julius Schäuble den Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker innerhalb der ZAV zu gründen.
Manfred Jäger
... „ich beauftrage Sie sofort, eine Stelle für die Vermittlung Schwerbeschädigter zu den obersten und oberen Bundesbehörden einzurichten. Die Stelle hat die Aufgabe, diesen Behörden unmittelbar Vorschläge für die Einstellung von Schwerbeschädigten zu machen.
Andreas Brüning
Alles gut also unterm Strich? Keineswegs, meint der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel.
Jürgen Dusel
Wir sind immer noch nicht gut, weil die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen ist länger als von Nichtbehinderten, und sie ist auch häufiger, man kann sagen, über 50 Prozent mehr.
Andreas Brüning
Es gibt einiges zu feiern und noch sehr viel zu tun. Was bringt die Zukunft nach den ersten 70 Jahren ZAV?
Torsten Prenner
Ich glaube, insgesamt ist alles vieles Inklusiver geworden, wir sind da wirklich einige Schritte vorangekommen. Da gibt es auch viele Menschen, die auf die Straße gegangen sind, die protestiert haben, die für ihre Rechte gekämpft haben. Ich glaube, es gibt noch ganz viel zu tun, vieles läuft immer noch nicht rund, und wir würden es uns alle noch inklusiver wünschen, dass das Thema Behinderung bei vielen Entscheidungen selbstverständlicher wird. Dennoch glaube ich – wenn ich so auf die 25 Jahre zurückblicke – dass es selbstverständlicher geworden ist, dass sich Menschen mit Behinderung bewerben. Dass es selbstverständlicher geworden ist, dass ich auf Besonderheiten eingehe und unterstütze. Es hat sich natürlich technisch ganz viel getan. Wenn ich jetzt gucke, wie gut Programme am PC schon vorlesen oder wie gut eine Spracheingabe funktioniert. Auch das Handy, das wir jeden Tag nutzen, was das auch für Möglichkeiten bietet, in der Inklusion oder bei der Eingliederung. Ich merke auf der anderen Seite aber auch: Man muss das Thema immer wieder hochhalten. Das sieht man, wenn irgendwas gebaut wird, wenn die Bahn neue Züge baut, dann muss man immer wieder sagen: Denkt auch an Menschen mit Behinderung.
Andreas Brüning
Sagt Arbeitsvermittler Torsten Prenner. Es hat sich also einiges getan in Sachen Inklusion. Gerade konnte er Werner Wörder, dem 1. Vorsitzenden des Deutschen Vereins für Blinde und Sehbehinderte im Studium und Beruf e.V. (dvbs), helfen, einen schwerbehinderten Mitarbeiter für die Gremienarbeit zu rekrutieren. Werner Wörder ist blind und arbeitet selbst an einem Gymnasium in Hessen als Lehrer. Er schätzt die langjährige Zusammenarbeit mit der ZAV.
Werner Wörder
Das ist es, wo wir sehr von profitieren. Viele wissen, wenn sie aus der Schule rauskommen, sei es aus der Inklusion, oder Förderschule, gar nicht, wie läufts mit dem Studium, wie geht es danach weiter, gibt es da Unterstützungsmöglichkeiten für mich. Und da ist die Zusammenarbeit mit der ZAV eine langjährige und eine sehr gute und vertrauensvolle.
Andreas Brüning
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel hängt die Latte hoch. Mehr arbeitslose schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker müssen in den Arbeitsmarkt, fordert er. ZAV-Legende Reiner Schwarzbach schätzt das Vertraute,
Reiner Schwarzbach
Es soll so weiter gehen.
Andreas Brüning
Sagt Reiner Schwarzbach, der Ex-Koordinator mit dem großen Telefonbuch.
Auch die Verbände müssen etwas tun,eng mit der ZAV zusammenarbeiten, meint Andreas Bethke. Zufriedene Kunden erzählen weiter, wenn sie gut behandelt wurden. Andreas Bethke ist so einer, er hat Biologie studiert, ist blind und hat einst selbst vom Service der ZAV profitiert. Heute ist er Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V. (DBSV). Er sieht sich in einer dreifachen Rolle in Beziehung zur ZAV.
Andreas Bethke
Ich bin heute Arbeitgeber. Wir haben ein Team von 40-50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Davon ist sind so 30-40 % die sogenannten besonders betroffenen Schwerbehinderten. Ich würde heute sagen, wir sind Inklusionsbetrieb. Wir stellen ganz viele Menschen ein mit Behinderung. Wir machen das teilweise über Projekte, teilweise natürlich über Festanstellungen. Über uns finden die Leute oft auf den Arbeitsmarkt, gehen dann auch weiter und wir versuchen einfach, den Leuten eine Chance zu geben mit guten Projekten, mit guter Arbeit, da sozusagen ihren Weg auf den Arbeitsmarkt zu finden. Und wir wollen natürlich auch für uns selber gute Arbeit dabei machen. Also da bin ich Arbeitgeber und versuche einfach Chancen zu öffnen. Und das zweite ist, natürlich bin ich selber auch als Nutznießer gewesen, der ZAV und finde einfach die Herangehensweise dort so wahnsinnig super, dass ich sage da bin ich echt ein Transporteur, ein Vermittler dessen, dass es die ZAV gibt. Und da würde ich sagen, bin ich Multiplikator und bin das gerne und würde mir wünschen, dass die ZAV in 70 Jahren vielleicht noch viel größer ist als heute und noch viel mehr Menschen so helfen kann, wie sie das heute macht.
Das iXNet – Team bedankt sich bei allen Beteiligten, die an diesem Podcast mitgewirkt haben.