Live-Interview vom 28.11.2022 mit Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
Ein Podcast zum Thema: Wer ist Jürgen Dusel und wofür setzt er sich ein? Entstanden im Rahmen der Aktionswoche für Menschen mit Behinderung 2022 der Bundesagentur für Arbeit sowie dem iXNet-Team der ZAV.
Andreas Brüning:
Jürgen Dusel ist blind, 57 Jahre alt und studierter Jurist. Seit 2018 ist er der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Jürgen Dusel kämpft für Inklusion im Politikbetrieb. Er setzt sich ein für den Abbau von Barrieren in der Gesellschaft, im Netz, in der Arbeitswelt und im Kulturleben. Seine Botschaft für die jetzige Legislaturperiode: „Demokratie braucht Inklusion“.
Herr Dusel, hätten Sie vor 30 Jahren gedacht, dass Sie dem Kanzler Olaf Scholz so nahekommen würden, nach dem Motto: Bei Anruf wird durchgestellt?
Jürgen Dusel:
Ich glaube, ich hätte einen Arzt gerufen, wenn jemand das gesagt hätte. Nein, natürlich nicht. Das war für mich eine völlig undenkbare Situation. Ich habe irgendwann mal in Heidelberg Jura studiert und habe danach einen Job gesucht und dann ist das Leben so gelaufen, wie das Leben gelaufen ist. Man versteht es ja manchmal erst im Nachhinein, wenn man zurückblickt, aber zur damaligen Zeit überhaupt nicht. Und ich bekomme auch nicht immer sofort einen Termin bei Olaf Scholz, wenn ich anrufe. Aber meistens schon. Also mittlerweile ist es tatsächlich so, ich wundere mich manchmal immer noch, wie es gelaufen ist. Aber daran sieht man ja man muss Dusel haben im Leben.
Andreas Brüning:
Lassen Sie uns in Ihre Berufsbiografie schauen. Was hat Sie dazu bewegt, Jura in Heidelberg zu studieren?
Jürgen Dusel:
Für mich war es quasi ein Kompromiss-Studium, weil bestimmte Dinge, die ich gerne gemacht hätte, konnte ich nicht, weil ich mittlerweile blind bin.
Ich habe lange überlegt, ob ich nicht Musik studieren soll und habe mich dann aber für Jura entschieden und glaube jetzt vor dem Hintergrund, dass auch die kreativen Juristen die guten Juristen sind. Aber für mich war es der Weg, den ich gegangen bin. Ich bin ja jetzt erst seit vier Jahren Beauftragter der Bundesregierung. Ich habe ja auch Jobs davor gehabt, ein Leben davor gehabt. Für mich war es der richtige Weg. Und im Jurastudium habe ich mich sehr viel mit Menschenrechtsthemen, Verfassungsrecht auseinandergesetzt und das passt ja ganz gut.
Andreas Brüning:
Akademiker*innen mit Behinderung müssen durch das Nadelöhr Studium. Wie haben Sie ihr Studium und die Studienbedingungen in Heidelberg erlebt und was hat sich bis heute verändert?
Jürgen Dusel:
Damals da habe ich zwar ein bisschen besser gesehen, also so 3 %, 4 %, aber wir haben natürlich überhaupt keine digitalen Medien gehabt. Also da gab es in der Bibliothek tatsächlich noch Zettelkästen. Und in der Tat ist es so, dass die Bedingungen für Studierende mit Behinderungen oder auch mit chronischen Erkrankungen immer noch nicht gut genug sind. Und das hat damit zu tun, dass immer noch nicht verstanden wird, dass eigentlich die Barrierefreiheit von der Universität und damit meine ich eben nicht nur die räumliche Barrierefreiheit, sondern eben auch die Frage der Lehre, die Frage der digitalen Angebote, dass die Barrierefreiheit der Universität ganz viel sagt über die Qualität der Universität. Das Thema Inklusion ist bei vielen Universitäten eben nicht Chefinnensache und nicht Chefsache geworden, sondern es wird meistens herunter delegiert in die Studienberatung. Die Kollegen, die da beraten, Kolleginnen, die machen da einen guten Job, aber im Grunde gehört es zur Corporate Identity der Universität. dass das wirklich klar wird, dass Menschen mit Behinderungen eben ein Recht haben, nach Artikel vier der UN-Behindertenrechtskonvention barrierefrei zu studieren.
Insofern passt es dann wieder mit der Juristerei ganz gut. Also ein Recht, das ich irgendwie nur auf dem Papier habe, das ich aber nicht leben kann, weil einfach beispielsweise die Uni nicht barrierefrei ist oder gerade in der Pandemie. Da ist das Recht im Grunde oder da ist das Papier das Geld nicht wert, auf dem das Recht steht. Und deswegen müssen da die Universitäten besser werden. Und das war auch ein Schwerpunkt eines Gesprächs mit der Bildungsministerin auf Bundesebene.
Andreas Brüning:
Sie sind 1995 mit dem zweiten Staatsexamen in der Tasche in ihr Berufsfeld eingestiegen. Wie haben Sie diesen beruflichen Einstieg damals erlebt und was hat Ihnen geholfen?
Jürgen Dusel:
Stimmt, ich habe im Sommer 95 das zweite Staatsexamen gemacht. Ich hatte vorher schon so ein bisschen Kontakt zur ZAV und es war natürlich so, dass ich ziemlich lange gebraucht habe, um einen Job zu finden, weil eben viele Arbeitgeberinnen und viele Arbeitgeber sich gar nicht vorstellen konnten, wie jemand, der so schlecht sieht, wie der überhaupt als Jurist arbeiten soll. Und da ist mein erster Rat, sich wirklich nicht kleinmachen zu lassen. Wir haben damals auch eine andere Situation gehabt, bezogen auf die Fachkräfte. Es gab sehr viele Juristinnen und Juristen die fertig wurden. Auf der anderen Seite auch einen großen Bedarf aus den neuen Bundesländern. Aber es war wirklich nicht einfach und auch die ZAV hat da ziemlich suchen müssen. Ich habe dann auch parallel immer gesucht. Also bitte nicht alles auf die ZAV delegieren, sondern weiter aktiv bleiben. Und ich habe mehr als ein Jahr gebraucht. Für mich war es nicht leicht in der Zeit. Ich habe dann mit einer Promotion angefangen in Heidelberg. Habe dann aber irgendwann den Job gekriegt und dann hat's auch funktioniert. Aber wie schon gesagt, es war eine Durststrecke, die ich da durchlebt habe und deswegen weiß ich, wovon ich rede, wenn ich gerade jetzt im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben besonders viel machen möchte.
Andreas Brüning:
Akademiker*innen mit Behinderung stehen heute immer wieder vor der Frage, wie gehe ich mit den Zuschreibungen der ANDEREN um. Wie haben Sie die Stimmung in den 1990er Jahren wahrgenommen? Was sind aus Ihrer Sicht die größten Barrieren beim Start ins Berufsleben?
Jürgen Dusel:
Ich glaube, dass das Thema Behinderung auch heute noch ein Thema ist. Also dass die Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen immer noch da sind. Und das hat einfach damit zu tun, dass wir immer noch nicht genug inklusive Bildung, also gemeinsames Lernen, in den Schulen haben. Also die Leute, die mit mir Abi gemacht haben, ich war auf einer Regelschule, ich habe erst auf einer Grundschule für sehbehinderte Kinder, wollte dann aber sozusagen auf eine weiterführende Schule wechseln, was übrigens auch nicht einfach war, weil die ganzen Direktoren gesagt haben, das Kind könne man den Lehrern nicht zumuten. Also ich war schon auf einer Regelschule und die Leute, die mit mir Abi gemacht haben, die kannten dann einen, mit dem man echt nicht gut Fußballspielen konnte, aber der sein Abi schafft. Und ich weiß, dass die Leute später dann auch Menschen mit Beeinträchtigungen eingestellt haben, wenn sie Personalverantwortung hatten. Und das ist immer noch heute ein Problem. Wir haben immer noch eine extrem hohe Arbeitslosigkeit von schwerbehinderten Menschen. Wir haben immer noch die Situation, dass es eine Menge gut qualifizierte Akademikerinnen und Akademiker mit Behinderung gibt. Die sind arbeitslos.
Andreas Brüning:
Wenn ich auf Ihre Berufsbiografie blicke, sehe ich Sie als (kreativen) Juristen und Verwaltungsmanager, insbesondere im Land Brandenburg und Berlin. Was bedeutet dieser Umstand für Ihr heutiges Amt?
Jürgen Dusel:
Ich empfinde es eher als Vorteil zu wissen, wo so in der Verwaltung die Stellschrauben sind und wenn man dann auch selbst Gesetzte mal geschrieben hat, das musste ich ja als Jurist dann auch tun, dann weiß man auch, wie man Gesetze schreibt und wie sozusagen auch die Nebenwirkungen von Gesetzen teilweise sind und das auch managet. Also mir hat das geholfen. Aber das ich deswegen Beauftragter der Bundesregierung wurde, da spielt natürlich auch andere Dinge noch eine Rolle. Klar, ich war dann irgendwann bekannter wahrscheinlich und irgendwann bekam ich dann den Anruf von Hubertus Heil, ob ich mir das zutraue, und dann habe ich erstmal geschluckt und hab mir dann überlegt, ob es das jetzt ist und habe dann zugesagt. Ich freue mich sehr, dass ich das machen darf und will das natürlich auch so gut wie möglich machen, weil ich einfach total Lust auf diesen Job habe. Und ich merke einfach, wenn man ein tolles Team um sich rum hat, dann kann man auch eine Menge bewirken und wenn ich mir so die letzten vier Jahre anschaue – sometimes you win, sometimes you lose – das ist immer so, aber wir haben auch ein paar Gewinne sozusagen gemacht und das motiviert natürlich dranzubleiben und weiterzumachen und das Ganze hat einfach mit meinem Verständnis von Demokratie zu tun. Ich habe nicht umsonst ein Motto in meiner Amtszeit. Das Motto heißt „Demokratie braucht Inklusion“. Also ich bin der tiefen Überzeugung, dass ein Land erst dann richtig demokratisch ist, wenn es inklusiv denkt und handelt und Inklusion und Demokratie sind zwei Seiten derselben Medaille und das ist mir wichtig. Das es eben nicht um was Nettes geht, wenn es um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung geht am Arbeitsleben oder etwas karikativ, freundlich, humanes. Sondern es geht um die Umsetzung von Menschenrechten. Menschen mit Behinderungen sind Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sie haben genau die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen auch und es ist die verdammte Aufgabe des Staates – und damit meine ich wirklich alle Ebenen des Staates, Bund, Länder und Kommunen – dass nicht nur zu sagen, sondern dafür zu arbeiten, dass tatsächlich die Rechte auch gelegt werden können. Und wenn Personen, die jetzt beispielweise ein Studium gemacht haben oder eine Ausbildung gemacht haben mit Behinderung leben und ich weiß nicht, 2,3 Jahre suchen müssen, bis sie einen Job finden oder auf Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber treffen, die irgendwie sagen: „ich stell dich nicht ein, weil du eine Behinderung hast“, ich finde, da muss man reagieren und das treibt mich wirklich an.
Andreas Brüning:
Wer unterstützt Sie bei Ihren vielfältigen Aufgaben?
Jürgen Dusel:
25 Personen arbeiten ungefähr für den Beauftragten. Wir haben ja auch eine Schlichtungsstelle also es sind ungefähr 25 Kolleginnen und Kollegen. Aber es ist ein heterogenes Team. Das ist auch wichtig. Aber das, finde ich, ist ein wichtiger Punkt, dass zum Beispiel bei uns eben auch ganz viele unterschiedliche Menschen arbeiten. Und ja, und das macht Spaß, mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Das ist großartig.
Andreas Brüning:
Wenn Sie hier und heute zurückblicken Herr Dusel, welche Themen waren in der letzten Legislaturperiode Ihre Herzensangelegenheiten?
Jürgen Dusel:
Die letzte Legislatur war natürlich sehr stark geprägt von der Pandemie. Und dann war natürlich die Frage, wie ist das Gesundheitssystem offen oder auch nicht, offen für Menschen mit Behinderungen. Also wie sieht es aus beim Impfen mit der Priorisierung aus? Wie ist es für Leute, die in einer Einrichtung für behinderte Menschen leben, was die Kontakte nach außen betrifft? Wie ist die Frage des Schutzes? Wie ist die Frage der Situation in Werkstätten für behinderte Menschen? Aber es gab so ein paar Punkte, die waren mir in der letzten Legislatur sehr, sehr wichtig. Eine Sache, die vielleicht niemand so richtig mitbekommen hat. Bis zum Jahr 2019 ungefähr hatten wir pauschale Wahlrechtsausschlüsse für Menschen, die unter Betreuung standen. Die durften nicht zur Bundestagswahl gehen oder zur Europawahl. Und das waren mehr als 80.000 Menschen, die pauschal von der Wahl, also von ihrer Wahlberechtigung ausgeschlossen waren. Das hat dann das Bundesverfassungsgericht auch nicht so toll gefunden und diese Wahlrechtsausschlüsse sind gekippt worden. Mir persönlich war ein ganz wichtiges Thema, was zu tun für Leute, die im Arbeitsprozess sind und mit Behinderungen leben, dass die Politik, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht, sehr stark fokussiert auf Leute, die Leistungen der Eingliederungshilfe bekommen, also Sozialhilfe bekommen, ist auch wichtig. Aber wenn man sich so die Zahlen anguckt - es gibt in Deutschland ungefähr 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen. Wir zählen oftmals nur die Schwerehinderten. Das sind ja so 8,5 Millionen und 800.000 Leute kriegen Leistungen der Eingliederungshilfe. Es stehen aber 1,4 Millionen Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und leben mit schweren Behinderungen. Da war es schon wichtig, dass wir die Pauschbeträge im Einkommenssteuerrecht verdoppelt haben für Leute, die eben Einkommensteuer zahlen und die ja höhere Aufwendungen haben. Das war ein wichtiger Punkt und eine Herzensangelegenheit.
Am 24. Februar begann der verbrecherische Angriffskrieg von Wladimir Putin auf die Ukraine. Und wir haben die Situation, viele geflüchtete Menschen zu haben, die teilweise auch mit Behinderungen leben. Ganze Einrichtungen wurden evakuiert, kamen sozusagen nach Deutschland. Aber jetzt haben wir, glaube ich, ein bisschen mehr Luft. Und jetzt kommen die Themen, die mir wichtig sind. Und dazu zählt auch die Teilhabe am Arbeitsleben.
Andreas Brüning:
Als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung sind Sie mit unterschiedlichen Themenfeldern konfrontiert und haben mit vielfältigen Akteur*innen –– zu tun Wie wird das Thema Inklusion in den Ministerien gesehen und angegangen?
Jürgen Dusel:
Unterschiedlich, wirklich unterschiedlich. Es gibt natürlich Ministerinnen und Minister, die sind sozusagen schon gebrieft für dieses Thema. Also ich denke, bei Hubertus Heil muss ich da nicht viel sagen. Und auch bei Lisa Paus. Es gibt wiederum welche, die überlegen jetzt erst mal, was sie mit dem Thema zu tun haben. Das war jetzt bei Christian Lindner gar nicht so, aber natürlich ist das Thema nicht bei allen so präsent und deswegen braucht es ja auch den Beauftragten. Und bei Christian Lindner habe ich ganz einfach gesagt, wenn wir schon so tolle Dinge im Koalitionsvertrag haben, also wenn man einmal das Thema Inklusion oder Barrierefreiheit im Koalitionsvertrag sucht, dann stellt man fest, da steht eine Menge drin in ganz unterschiedlichen Themenfeldern, also Barrierefreiheit im Gesundheitssystem, bei der Mobilität, im Bereich der Digitalisierung, der Teilhabe am Arbeitsleben usw.. Aber besser ist es, wenn diese Maßnahmen auch finanziert werden Und deswegen habe ich gesagt, wir müssen diese Themen entsprechend finanzieren. Und das hat Christian Lindner verstanden.
Andreas Brüning:
Wir haben heute den Anspruch, eine inklusive Gesellschaft zu sein. Was ist für Sie in puncto Barrierefreiheit das Wichtigste für den deutschen Arbeitsmarkt und die Gesellschaft?
Jürgen Dusel:
Wenn ich jetzt nicht in die Kneipe hereinkomme, weil die nicht barrierefrei ist, dann kann ich eben mit meinen Leuten nicht in diese Kneipe gehen, um ein Bier zu trinken. Das hat also einerseits eine tiefe soziale Dimension, aber ich finde viel wichtiger ist es, dass die Leute verstehen, dass Barrierefreiheit ein Qualitätsstandard für ein modernes Land ist, dass Barrierefreiheit unser Land moderner macht, auch im Wettbewerb mit anderen. Das ist ein Standortvorteil, ob ich jetzt ein barrierefreies Land habe oder nicht.
Andreas Brüning:
Die Idee der Ausgleichsabgabe ist es, Menschen mit Behinderung einzustellen und bessere Bedingungen für die Teilhabe am Arbeitsleben zu schaffen. Warum löst das Thema der vierten Stufe der Ausgleichsabgabe bei Arbeitgeber*innen keine Begeisterung aus und warum braucht es sie trotzdem?
Jürgen Dusel:
Weil wir uns an die Regeln halten müssen. Und wir haben uns in Deutschland eine Beschäftigungspflicht in Unternehmen, die mehr als 20 Arbeitsplätze haben. Das sind ungefähr 160 - 170-tausend Unternehmen in Deutschland und ich rede jetzt nicht über die, die die Quote nicht ganz schaffen, also vielleicht nur 4% haben oder 3%, sondern ich rede über die, die 0% haben und da sage ich ganz entspannt Null--Verständnis und Null-Toleranz für Null-Beschäftigte. Wir haben ein Viertel aller Unternehmen in Deutschland, die beschäftigungspflichtig sind, das sind mehr als 40-tausend Unternehmen und diese beschäftigen nicht einmal einen einzigen Menschen mit Behinderung. Also die Idee ist ja eigentlich, dass die Leute verstehen, dass sie qualifizierte Leute kriegen. Aber wenn ein Viertel aller sagt, die machen das nicht, dann bin ich schon der Meinung, dass der Staat reagieren. Deswegen habe ich seit 3 Jahren immer wieder gesagt, wir brauchen die vierte Stufe. Und wir werden die auch einführen. Und da hoffe ich – also, wenn jetzt jeder einzelne sozusagen, also jeder Arbeitgeber der bisher keinen Menschen mit Behinderung eingestellt hat, einen einstellen würde, dann würde die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich um ein Viertel zurückgehen. Und deswegen werden wir das auch machen.
Andreas Brüning:
Mit dem digitalen Expert*innen- Netzwerk (iXNet) der ZAV konnten wir seit Mai 2022 drei neue Kolleg*innen – Akademiker*innen mit Behinderung einstellen. Die Peerberatung ist ja ein Schlüssel, um Akademiker*innen mit Behinderung zu unterstützen. Was wünschen Sie sich von der Zentralen Fach- und Auslandsvermittlung (ZAV) sowie dem iXNet-Projekt der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2023?
Jürgen Dusel:
Ich wünsche Ihnen, dass Sie mehr Ressourcen bekommen. Ich finde, das ist schon okay, was die ZAV macht. Und sie machen ja Arbeitgeber-Service und sie kümmern sich auch um Akademikerinnen und Akademiker oder Menschen im Studium. Es wäre natürlich schon ganz gut, wenn das auch personell entsprechend ausgestattet wird, weil der Bedarf ist da. Und ich glaube auch die Quote, wie für wie viel Menschen dann eine Person hier bei der ZAV oder auch bei der BA zuständig ist, das ist ganz entscheidend. Und deswegen ist es glaube ich schon wichtig, dass man auch Netzwerke dann bedienen kann, dass man vielleicht auch an Universitäten mehr präsent ist, dass man mehr Kooperationen macht. Und es braucht einfach Leute dafür. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass der Reha-Bereich in der Bundesagentur für Arbeit, ich meine jetzt keinen persönlich, aber der ist einfach nicht der attraktivste und man merkt da auch eine relativ hohe Fluktuation, teilweise bei der BA. Und deswegen wünsche ich mir, dass jetzt auch mit Andrea Nahles, dieses Thema einfach den Stellenwert noch mehr bekommt, den er wirklich braucht.
Andreas Brüning:
In den Zeiten des Fachkräftemangels sind viele Arbeitgeber*innen auf der Suche nach qualifizierten Mitarbeiter*innen. So könnten Akademiker*innen mit Behinderung interessant werden. Welche Botschaft möchten Sie an die noch zögernden Arbeitgeber*innen richten?
Jürgen Dusel:
Wenn sie sich die Gruppe der Leute anschauen mit Schwerbehinderung, die arbeitslos sind und vergleichen die mit der Gruppe der Menschen, die arbeitslos sind und ohne Schwerbehinderung sind, dann ist die Gruppe der schwerbehinderten Menschen deutlich besser qualifiziert. Deswegen sollen die Leute nicht arbeitslos werden, sondern es ist klar, dass Menschen mit Schwerbehinderung eine Menge mitzubringen haben an Qualifikation. Und diese Ressource, die sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wirklich nutzen.
Andreas Brüning:
Herr Dusel, ich danke Ihnen für das Gespräch mit dem iXNet-Team.