Birgit Eiber im Gespräch: Ein iXNet-Podcast vom Februar 2024 mit der Inklusionsbeauftragten der Bundesagentur für Arbeit Birgit Eiber.
Inklusion braucht Netzwerk- und Managementkompetenz: Birgit Eiber ist seit 2023 Inklusionsbeauftragte der Bundesagentur für Arbeit (BA). Sie kennt die Strukturen der BA seit 1987 und setzt sich für eine inklusive Unternehmenskultur ein.
ANDREAS BRÜNING:
Liebe Birgit, ich freue mich sehr, dass wir heute zum iXNet-Podcast -Interview zusammengekommen sind und gemeinsam reflektieren können, wie du dich für Inklusion einsetzt, insbesondere in deiner Funktion als Inklusionsbeauftragte der Bundesagentur für Arbeit, aber auch als Leiterin der Koordinierungsstelle Inklusion. Diese beiden Rollen sind eine interessante Schnittstelle, finde ich, um Inklusion einerseits in der Gesellschaft voranzutreiben, aber auch innerhalb einer Organisation oder Behörde wie die Bundesagentur für Arbeit.
Der iXNet-Podcast hat ein diverses Publikum in seinem Hörer*innenkreis. Und deshalb meine Frage, könntest du dich kurz selbst beschreiben?
BIRGIT EIBER:
Ja, sehr gern. Davon profitieren ja alle, denn wir sind hier über den Podcast nur in Audio zu hören. Ich bin 56 Jahre alt und 1 Meter 56 groß. Meine Hautfarbe ist hell. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Sommersprossen. Ich habe braune Augen, braune Haare und so wie heute trage ich gern bequeme Kleidung und habe die Farbe Rot gewählt. Wie unser Logo, der Bundesagentur für Arbeit.
ANDREAS BRÜNING:
In der iXNet-Podcast-Reihe betrachten und diskutieren wir Aktionen und Perspektiven von Menschen, die sich für Inklusion, Barrierefreiheit und Diversität einsetzen. Was ist dir am iXNet-Podcast aufgefallen und wie bewegst du dich in der Welt der Podcasts?
BIRGIT EIBER:
Ich freue mich, dass ich bei eurer iXNet-Podcast-Reihe mit dabei sein kann. Denn ich bin selbst begeisterte Podcast-Hörerin und habe viele Sendungen abonniert. Neue Themen erschließe ich mir am besten über das Hören. Aber eure Podcast-Reihe schätze ich ganz besonders, weil hier Menschen zu Wort kommen, die gerade zu Beginn meiner Arbeit eine wichtige und gute Orientierung gegeben haben. Ich denke da an Prof. Dr. Sigrid Arnade. Von ihr habe ich mitgenommen: Teilhabe am Arbeitsleben ist ein Menschenrecht und nicht an Bedingungen geknüpft, wie zum Beispiel ein guter Arbeitsmarkt und ein hoher Fachkräftebedarf. Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt verändern zwar unsere Schwerpunkte und unsere Instrumente, aber nicht die Intensität, mit der wir Inklusion voranbringen wollen. Ich denke da auch an Raul Krauthausen. Denn solange wir noch Ausgrenzungen erleben, müssen wir aktiv persönliche Begegnungen organisieren. Und das hat auch unmittelbar Eingang in unsere Arbeit, in die Koordinierungsstelle der Inklusion, gefunden. Und die zweite Botschaft, die ich von Raul Aguayo-Krauthausen mitgenommen habe, ist das Recht, sich ausprobieren zu dürfen. Und das bekomme ich immer wieder in Rückmeldungen von Führungskräften gespiegelt, dass sie sich in einem Balanceakt sehen: Auf der einen Seite zwischen der Personalfürsorge für ihre Mitarbeitenden, aber auch auf der anderen Seite, ihnen den Raum zu geben, an herausfordernden Aufgaben zu wachsen. Ja, und ich denke auch an Dagmar Greskamp und die Frage, wie Inklusion sichtbarer gemacht werden kann. Wir haben dabei das Ziel, Denkschubladen aufzubrechen.
ANDREAS BRÜNING:
Inklusion möchte explizit die Menschenrechtsdimension auch in der Arbeitswelt verankern und damit sichtbarer machen, um einen Wandel einzuleiten, an dem jeder Mensch teilnehmen kann. Wie hilft der Begriff „Denkschubladen“ uns, inklusive Prozesse in unserer Gesellschaft abzubilden und zu verstehen?
BIRGIT EIBER:
Ich benütze persönlich gerne den Begriff der Denkschublade, lieber als Unconscious Bias oder Vorurteile oder Stereotype. Denn ich kann daraus sehr viel mehr machen. Denn Denkschublade ist für mich erst mal ein neutraler Begriff. Wir müssen täglich viele Informationen einordnen und da stecken wir Menschen mitunter automatisch unbewusst in Schubladen und mitunter auch in falsche. Und wir sind uns oft der Wirkung nicht bewusst. Dass wir damit Menschen verletzen und insbesondere ihre Entfaltung behindern. Unsere Denkschubladen beeinflussen aber auch, was wir uns selbst zutrauen. Wenn ich mich selbst zum Beispiel in eine negative Denkschublade stecke, Beispiel wäre: Frauen treten nicht dominant auf. Da nehme ich mich vielleicht unnötig zurück. Ich kann damit Denkschubladen auch positiv nutzen. Als Beispiel Menschen wie ich, die sich für unterschiedliche Kulturen interessieren, sind offen und können sich besonders gut in andere Menschen hineindenken. Dann werde ich mir auch mehr zutrauen und mich mit meiner ganzen Persönlichkeit einbringen. Sich diese Denkmuster bewusst zu machen, hilft, einmal die Denkschubladen bei sich selbst und bei anderen im Alltag wahrzunehmen. Und da unterstelle ich meinem Gegenüber erstmal guten Willen und kann dann auch aktiv ansprechen und nach einer Begründung fragen. Und da habe ich persönlich gute Erfahrungen gemacht.
ANDREAS BRÜNING:
Denkschubladen finden häufiger auf individueller Ebene statt und können Inklusion in Unternehmen gefährden. Deshalb braucht man Menschen, die auf diese Denkmuster hinweisen und sie korrigieren und die Unternehmenskultur darin verändern, anders über Inklusion zu denken. Ist das die Funktion von Dir? In welchen Funktionen setzt du dich innerhalb der Bundesagentur für Arbeit für Inklusion ein?
BIRGIT EIBER:
Ich leite einmal die Stabstelle Inklusion in der Zentrale der Bundeagentur für Arbeit. Und da bin ich froh, dass du mich auch nach meiner zweiten Funktion fragst, denn diese ist sehr unbekannt. Also wenn ich jetzt in die Fußgängerzone gehen würde, und würde folgende Frage stellen. Welche Funktion muss es in jedem Betrieb mit Beschäftigten in jedem Unternehmen geben, weil diese gesetzlich vorgeschrieben ist? Dann bekomme ich unterschiedlichste Antworten. Vielleicht Betriebsarzt, Ersthelfer, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Datenschutzbeauftragter, aber mit Sicherheit nicht Inklusionsbeauftragter. Wenn ich noch einen Tipp geBirgit Eiber: Welche Person im Unternehmen sorgt dafür, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen in Bezug auf die Beschäftigten mit Schwerbehinderung und Gleichstellung erfüllt? Dann könnte schon das eine oder das andere Mal ein Hinweis auf die Schwerbehindertenvertrauenspersonen kommen.
ANDREAS BRÜNING:
In Deutschland wird der Begriff Inklusion mehr und mehr en voque. Integrationsämter werden heute in Inklusionsämter umgetauft, Inklusionsbeauftragte werden gesetzlich bestellt und Inklusionsberater*innen bieten ihre Dienstleistungen an.
Kannst du uns erzählen wie du und dein Team in eurer täglichen Arbeit einerseits als Stabstelle Inklusion und andererseits als Inklusionsbeauftragten-Team wirken?
BIRGIT EIBER:
Ich würde es als zwei Perspektiven sehen. Dass vielleicht die Rolle der Inklusionsbeauftragten gar nicht so bekannt ist, könnte daran liegen, dass Inklusionsbeauftragte im Hintergrund wirken. Das ist die eine Perspektive. Da ist es meine Aufgabe, dass die Bundesagentur für Arbeit als Arbeitgeberin ihre Verpflichtungen erfüllt. Und das kann ich natürlich aufgrund der Größe nicht allein. Es gibt auf Bundesländerebene und auch auf regionaler Ebene weitere Inklusionsbeauftragte. Und die bekannteste Verpflichtung ist die Beschäftigungspflicht. Und die liegt bei Unternehmen bei 5 % und bei öffentlichen Arbeitgebern bei 6 %. Die BA erfüllt sie aktuell mit 11 %. Da sind wir sehr gut. Und die weiteren Verpflichtungen ergeben sich aus unserer Inklusionsvereinbarung. Die ist auch gesetzlich vorgegeben. Sie wird abgeschlossen von der Unternehmensleitung mit Schwerbehindertenvertretung und Personalvertretung. Und weil sie eine Vereinbarung ist, kann sie sehr unterschiedlich gestaltet sein. Bei uns enthält sie Regelungen zur Personalrekrutierung, zur Ausbildung, zur Arbeitsplatzgestaltung, zu Karrierewegen und zur Arbeitsorganisation. Und damit sind es keine ein, zwei Aufgaben, sondern daran sieht man, es ist ein breites Feld und sehr vielfältig. Das, was ich auch besonders wichtig finde, ist, dass wir festgeschrieben haben, dass wir ein Inklusionsklima fördern. Und das ist die zweite Perspektive. Denn Inklusion entsteht durch Rahmenbedingungen, in denen alle Menschen selbstverständlich dazugehören und sich voll einbringen können. Und das bedarf, dass alle aus der Überzeugung heraus handeln, im Kleinen und im Größeren. Und ich sehe dann meine Funktion als gut erfüllt an, wenn sich alle aktiv beteiligen und mit ihrer Arbeit daran mitwirken, dass wir da, wo wir schon inklusiv sind, bleiben. Das ist oft gar nicht so selbstverständlich. Und wo wir es noch nicht sind, erfüllen und dazu gehört es auch, Schwierigkeiten oder Interessenskonflikte zu benennen. Und nur so können wir Lösungen finden, die auch langfristig Bestand haben. Das, was uns in der Bundesagentur für Arbeit auch besonders wichtig ist, ist, dass Außenstehende unsere Partner am Arbeitsmarkt und insbesondere unsere Kundinnen und Kunden erleben, wie wir Inklusion leben und dies positiv wahrnehmen. Also zusammengefasst: Ich bin die Kümmerin, dass die Rahmenbedingungen passen und Prozesse wie Zahnräder ineinandergreifen. Es ist eine Managementaufgabe, wenn es um strategische und strukturelle Veränderungen geht. So gehen wir aktuell der Frage nach, wie verändert sich denn die Arbeitswelt insgesamt? Und wie richten wir unsere Dienstleistungen darauf aus? Und daraus wiederum folgend: Wie gestalten wir unsere Prozesse, dass alle Menschen teilhaben können? Aber das wäre jetzt eine eigene Podcast-Folge, vielleicht zusammen mit dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung?
ANDREAS BRÜNING:
Ja, das wäre ein neues Thema für einen iXNet-Podcast.
Inklusion braucht Demokratie und Öffentlichkeit. Raúl Aguayo-Krauthausen würde die Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung als Faktor mit dazu tun.
Du gestaltest den Inklusionsprozess in einer großen Organisation und möchtest auch eine Vorbildfunktion für inklusive Ideen sein. Wie erreichst du als Inklusionsbeauftragte die Menschen innerhalb und außerhalb der Bundesagentur für Arbeit?
BIRGIT EIBER:
Wir haben eine Workshopreihe, in der wir die UN-Behindertenrechtskonvention für uns erlebbar machen. Dabei geht es um Themen wie Ausgrenzung, welche Barrieren in der Umwelt bestehen. Und das Wichtige dabei ist, welcher Beitrag kann ganz konkret von mir geleistet werden? Und daraus entsteht großes Interesse an weiteren Themen. Da unterstützen die Inklusionsbotschafterinnen und -botschafter. Das sind Kolleginnen und Kollegen, die aus ihren persönlichen Erfahrungen die Kolleginnen und Kollegen begleiten und ihnen für Gespräche bereitstehen, aber auch für Vorträge bei Inklusionstagen.
ANDREAS BRÜNING:
Der Fachkräftemangel ist ein Schlagwort dieser Tage. Welche Bedeutung bekommt das Jobcarving in naher Zukunft aus deiner Perspektive. Insbesondere auch um Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren?
BIRGIT EIBER:
Ja, aus demographischen Gründen werden wir in den nächsten Monaten und Jahren viele Stellen zu besetzen haben und unser Denken im Personalbereich war es bislang, für ein Jobprofil genau die passende Person zu finden. Das trifft mehr und mehr auf Schwierigkeiten. Und da müssen wir alle lernen, um die Ecke zu denken. Und ausgehend von Bewerberinnen und Bewerbern, die nicht alle Anforderungen eines Arbeitsplatzes erfüllen, das Aufgabenspektrum so zu schnitzen und die Aufgaben auf die individuellen Fähigkeiten und Stärken hin abzustellen. Dazu hat sich der Begriff Jobcarving etabliert, also den Arbeitsplatz zu schnitzen. Dadurch können wir Fachkräfte, die Stammarbeitskräfte, auch entlasten, weil sie dadurch auch Aufgaben abgeben können. Und insofern ist das auf alle Fälle ein Gewinn für das Unternehmen. Das können einmal Aufgaben-Inhalte sein, Arbeitszeiten oder Arbeitsdauer oder ganz individuelle Umsetzungsmöglichkeiten betreffen. Und Bewerberinnen und Bewerber, die ein Gefühl bekommen wollen: Wie flexibel gehen Unternehmen mittlerweile auf die individuellen Kompetenzen und Stärken ein? Dabei empfehle ich, die Schwerbehindertenvertrauenspersonen in den Unternehmen anzusprechen. Dafür stellt sich zum Beispiel beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung die Schwerbehindertenvertrauensperson auf der Internetseite selbst mit Telefonnummer und Mailadresse vor. Und ich höre von meinen Kolleginnen und Kollegen, die Schwerbehindertenvertrauenspersonen sind, die diesem Beispiel folgen, dass dies von Bewerberinnen und Bewerbern sehr gut angenommen wird. Und eine einfache Möglichkeit, dass Arbeitgeber und Bewerberinnen und Bewerber sich kennenlernen, ist die Probebeschäftigung. Das ist ein zusätzliches Instrument für die Einstellung von Menschen mit Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung.
ANDREAS BRÜNING:
Welche Akteur*innen sollten mehr und besser zusammenarbeiten, um Inklusion in der Gesellschaft als Standard zu platzieren?
BIRGIT EIBER:
Das Netzwerk vor Ort, das lokale Netzwerk, ist aus meiner Sicht der Gelingensfaktor für Inklusion. Welche einzelnen Partner das sind, hängt natürlich von den regionalen Gegebenheiten ab. Aber da wollen insbesondere wir von der Bundesagentur für Arbeit mit dem Inklusionsamt/Integrationsamt gute Partner sein. Ich denke wir sind auf alle Fälle die Netzwerkpartner vor Ort und da kommen natürlich weitere dazu. Wir hatten da erst kürzlich ein Gespräch, dass es tatsächlich gut wäre, um sich das klar zu machen, ob man wirklich alle wichtigen Personen kennt, dass man eine Netzwerkkarte erstellt und die dann auch durchaus mal mit weiteren Unternehmen bespricht.
ANDREAS BRÜNING:
Netzwerke zu bilden und fluide Schnittstellen zu manifestieren ist ein zentrales Anliegen von iXNet, insbesondere für Akademiker*innen mit Behinderungen.
Wie schaust du auf das, was iXNet seit Mai 2022 im Rahmen der Bundesagentur für Arbeit gestaltet?
BIRGIT EIBER:
Ich habe mich sehr gefreut, als ich von Annette Tigges-Thies erfahren habe, dass iXNet jetzt in der Bundesagentur für Arbeit eine Heimat findet und das eben zusammen mit dem Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker der Service noch besser ausgebaut werden kann. Und das, was jetzt den Arbeitgeberservice besonders auszeichnet, ist, dass sowohl die Arbeitgeberseite als auch Bewerberinnen und Bewerber einen Service aus einer Hand erhalten. Und jetzt mit iXNet zusammen, wird die Peergruppenberatung mit eingebracht. Und das ist die richtig starke Verbindung. Dass der Arbeitgeberservice schon über viele Jahre im bundesweiten Netzwerk tätig ist und nun zusammen mit iXNet das Dienstleistungsangebot komplettiert wird, ist für mich die ideale Entwicklung. Und außerdem ist es sehr erfreulich, dass über die digitalen Möglichkeiten die Reichweite zuletzt noch ausgebaut werden kann und noch mit Sicherheit weiter ausgebaut werden wird.
ANDREAS BRÜNING:
Wir danken dir herzlich für das Gespräch, Birgit, und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
BIRGIT EIBER:
Ja, vielen Dank von meiner Seite für den Podcast und dass ich heute mit dabei sein konnte. Und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit euch.