Text zum Podcast mit Annette Tigges-Thies, Geschäftsbereichsleiterin der ZAV in Bonn
Autor (Andreas Brüning):
Liebe Hörerinnen und Hörer des iXNet-Podcasts,
das iXNet-Projekt ist seit dem 01.05.2022 unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit ZAV zu Hause. Die ZAV steht für Zentrale Auslands- und Fachvermittlung. In diesem Podcast möchten wir Ihnen die Geschäftsbereichsleiterin der ZAV – Frau Annette Tigges-Thies vorstellen. Sie ist in unterschiedlichen Funktionen in der Bundesagentur für Arbeit seit 25 Jahren tätig. Und so hat es für sie bei der Bundesagentur für Arbeit begonnen.
Annette Tigges-Thies (Beruflicher Werdegang bei Bundesagentur für Arbeit)
Ich habe im Bereich Förderung behinderter und benachteiligter Jugendlicher begonnen. Bei der Bundesagentur für Arbeit damals in Düsseldorf und war dann tätig, unter anderem im Controlling, im Personalbereich, insgesamt Verwaltung und bin seit 2009 bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung Geschäftsbereichsleiterin, von bisher vier verschiedenen Geschäftsbereichen. Und ganz neu seit Anfang des Jahres ist in den Geschäftsbereich noch dazugekommen, die Arbeitsmarktzulassung. Ich bin verheiratet und mein Lieblingshobby ist eigentlich Reisen und Fahrradfahren.
Autor (Andreas Brüning):
Annette Tigges-Thies ist nicht nur Managerin, sondern auch die Inklusionsbeauftragte der ZAV. Manchmal kümmert sie sich vormittags um die Optimierung von Arbeitsmarktzulassungen (AMZ) oder die Vermittlungskonzepte von Künstler*innen und setzt sich nachmittags in einem Meeting für Inklusion, Diversity und diskriminierungsfreie Räume ein. Wie geht beides zusammen? Für sie ist Inklusion eine Frage der Haltung.
Annette Tigges-Thies (Vereinbarkeit von Führungskraft und Inklusionsbeauftragten)
Also Sie können alles schaffen in einem Unternehmen, wenn Sie es wollen, wenn Sie die Haltung haben, dass man es möchte. Oder Sie können für alles Entschuldigungen finden, warum es nicht geht. Und deswegen, glaube ich, es ist durchaus gut, als Inklusionsbeauftragte auch in einer Führungsfunktion zu sein. Das ist ein dickes Brett, was man bohren muss, um Haltungen einfach zu verändern.
Autor (Andreas Brüning):
Das iXNet-Projekt ist für das inklusive Feld der Bundesagentur für Arbeit ganz sicherlich ein Gewinn und vielleicht auch ein Instrument, um Vorurteile zu überwinden und innere Einstellungen zu lockern. Haltungen in Organisationen zu verändern, ist für Annette Tigges-Thies eine wichtige Aufgabe. Eine diverse und inklusive Zentrale Auslands- und Fachvermittlung bietet in ihren Augen viele Vorteile.
Annette Tigges-Thies (Haltung und Vorbildfunktion der Bundesagentur für Arbeit)
Der eine Vorteil ist, wir arbeiten auf der Basis des Sozialgesetzbuches und allein schon, wenn man sich den Begriff „Sozialgesetzbuch“ nochmal auf der Zunge zergehen lässt, stimmt einen das manchmal eher dazu, dass man sagt, man probiert mal Sachen aus. Also man versucht mal die Einstellung eines Schwerbehinderten voranzutreiben, man versucht mal jemanden zu integrieren, weil man sagt, irgendwo haben wir auch noch eine soziale Verpflichtung, also wenn nicht wir, wer macht es dann?
Wir können nicht Arbeitgebern guten Gewissens sagen, jetzt probiert es mal, wenn man es selbst nicht macht. Da haben wir, glaube ich, auch eine Vorbildfunktion. Der andere Vorteil ist, wenn es um Diversity und das ganze Thema geht, dass wir glaube ich, als Zentrale Auslands- und Fachvermittlung, allein aufgrund der Aufgaben, die wir haben. Wir haben das gesamte Auslandsgeschäft der Bundesagentur für Arbeit, das heißt, die gezielte Zuwanderung von Fachkräften. Dadurch haben wir einfach eine sehr, sehr bunte Mitarbeiterschaft. Wir haben also das Thema. Dann haben wir die Künstlervermittlung unter dem Dach der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung, das ist die größte Künstleragentur Europas. Also auch da wieder ganz viele bunte Mitarbeiter, sodass wir alleine aufgrund unserer Aufgaben schon ein buntes und tolerantes Miteinander, eine bunte Mitarbeiterschaft haben und vielleicht dadurch einfach auch ein paar mehr Chancen ausprobieren.
Autor (Andreas Brüning):
Das iXNet-Projekt ist ein Online-Portal. Am 01. Mai 2022 ist es bei der ZAV im Arbeitsgeberservice für schwerbehinderte Akademiker*innen in eine neue Phase der Verstetigung gestartet. Es soll die Online-Präsenz verstärken.
Aber wie genau wird der Peer-Ansatz des iXNet-Projekts in die ZAV einmünden?
Annette Tigges-Thies (Die Bereicherung von iXNet für die ZAV)
Also ich glaube, ganz konkret kann iXNet die ZAV darin unterstützen, dass es tatsächlich die Dienstleistungen, die wir anbieten, bekannt macht und einem breiteren Spektrum über Online-Formate bekannt macht. Dass man auch Formate, die wir derzeit eher in Präsenz machen und damit einem kleineren Personenkreis immer nur zukommen lassen können, auch einfach skaliert auf einen größeren Personenkreis. Und die ZAV kann iXNet weiter promoten, indem wir einfach gegenseitig immer diese Dienstleistungen – Also ich finde das sind so zwei Seiten einer Medaille. Ein Angebot von guck mal, da sind online, da sind Foren, da sind Workshops im Online-Format, die wir anbieten, da sind Informationsveranstaltungen online, die wir anbieten und gleichzeitig ganz konkret Präsenz, Beratung bei Beratern, wenn es ganz konkret um Stellenbesetzungen oder die Strategie: Wie komme ich jetzt ganz konkret an einen Arbeitsplatz? Und ich glaube, das sind wunderbare Ergänzungen.
Autor (Andreas Brüning):
Annette Tigges -Thies hat schon in vielen Beiräten gesessen, so auch im Beirat des iXNet-Projekts, als iXNet noch beim Institut für empirische Soziologie in Nürnberg zu Hause war. Die ersten drei Jahre hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Finanzierung auf die Beine gestellt. Viele innovative Projekte scheitern nach einer 3 bis 5-jährigen Projektphase. Wie hat iXNet diese heikle Phase überstanden?
Annette Tigges-Thies (Arbeitgeber-Service und iXNet - eine vielversprechende Synergie)
Ich habe mich eigentlich immer geärgert, dass tolle Sachen aufgebaut werden, dass sie auch häufig mit Universitäten oder anderen Einrichtungen sehr professionell evaluiert werden und nach der Projektlaufzeit scheitert immer wieder die Fortführung, rein an der Frage „Wer finanziert es weiter“? Und bei iXNet war jetzt der Riesenvorteil, dass – da ging es wieder um die Frage, wie geht's weiter? Kann man es irgendwie finanzieren? – Und dann habe ich mir gedacht, also eigentlich passt iXNet super zu unserem Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker. Wir haben die gleiche Zielgruppe – schwerbehinderte Akademiker. Wir haben den Arbeitgeber-Service, der sich sowohl um die Zielgruppe der Arbeitgeber als auch um die Zielgruppe der Bewerber kümmert, auch wenn Arbeitgeber-Service so klingt, als ob es nur für Arbeitgeber wäre. Für die Arbeitgeber versuchen wir Beschäftigungsmöglichkeiten für schwerbehinderte Akademiker zu schaffen. Und wir kümmern uns auch um die Bewerberseite, die wir beraten, die wir auch fördern können und die wir versuchen zu integrieren. Und das passte einfach super diese Präsenz-Angebote, die wir haben plus die Online-Angebote, die iXNet hat, sodass ich einfach dachte, das können wir wunderbar in unser Portfolio als Ergänzung integrieren. Ein zentrales Element war, dass man sagt, das ist von Schwerbehinderten für Schwerbehinderte gemacht, sodass man sich auf Augenhöhe trifft, sodass man die gleiche Sprache und aber auch so den gleichen Erfahrungshintergrund hat. Das ist ganz, ganz wichtig, um sensitiv zu sein und empathisch in Gesprächen. Und deswegen passt es perfekt in unser Portfolio rein. Das ist erstmal, das war so der Auslöser, warum ich es gerne dazu haben wollte. Und ich glaube einfach, dass wir darüber es schaffen, mehr eine Basis für eine Vernetzung zu bringen. Und ich finde immer Vernetzung macht stark. Und wenn wir da eine Basis bringen können, dass schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker, sich stärker vernetzen, sich gegenseitig helfen können, dann finde ich einfach, haben wir eine tolle Basis geschaffen.
Autor (Andreas Brüning):
In vielen Branchen werden Fachkräfte händeringend gesucht. Viele Organisationen und Unternehmen entdecken momentan Akademiker*innen mit Behinderung als potentielle Bewerber*innen. Ist das für diese Zielgruppe eine neue Chance?
Annette Tigges-Thies (Zunehmendes Interesse an Akademiker*innen mit Behinderungen)
Ja, wir erleben es und hören es oder lesen es ja auch überall, dass wir jetzt zunehmend aufgrund unserer demographischen Entwicklung auch in einen Fachkraftmangel reinlaufen. Am bekanntesten ist die Pflegebranche oder IT-Branche, wo dies ja schon stark ausgeprägt ist, aber auch in anderen Bereichen. Ich glaube, dass die Personengruppe der schwerbehinderten Akademiker, so sie gut qualifiziert sind und eben von der Qualifikation her passend sind, glaube ich zunehmend gute Chancen auf dem Markt haben, da Arbeitgeber und sei es aus der Not heraus jetzt auch andere Wege gehen und auch zunehmend sagen ich bin auch zunehmend aufgeschlossen, mal auszuprobieren, würde es auch mit einem Schwerbehinderten auf dieser Stelle funktionieren. Und deswegen glaube ich das, dass es, wenn die Qualifikation stimmt, da auch zunehmend gute Chancen bestehen. Wir haben aktuell um die 8500 schwerbehinderte Akademiker, die arbeitslos gemeldet sind. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein Teil davon in den nächsten Jahren tatsächlich in Arbeit kommt.
Autor (Andreas Brüning):
Bis vor wenigen Jahren zögerten die meisten Arbeitgeber*innen, Akademiker*innen mit Behinderung einzustellen. Zu groß waren die Vorurteile. Heute ist die Bereitschaft bei den Arbeitgeber*innen größer. Wie ist es zu diesem Bewusstseinswandel gekommen?
Annette Tigges-Thies (Der Arbeitnehmer-Markt)
Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber-Markt zu einem Arbeitnehmer- Markt gewandelt. Das ist tatsächlich so, dass Unternehmen – und das erleben wir auch selbst als Bundesagentur für Arbeit – viel mehr Marketing machen müssen und viel mehr gucken müssen, wie gewinne ich Bewerber und nicht die Bewerber unbedingt Schlange stehen auf eine Stellenanzeige oder eine Ausschreibung. Das ist tatsächlich so und das sind nicht immer nur die Faktoren, die man so als erstes denkt, dass es nur um das Gehalt geht oder die Arbeitszeiten, sondern es sind auch sehr viele softe Faktoren wie zum Beispiel wie sieht es mit der Sozialkompetenz des Arbeitgebers aus, bis hin zu - welche Schwerbehindertenquote haben Unternehmen, damit Arbeitnehmer sich entscheiden, da möchte ich arbeiten. Ich möchte in einem Unternehmen arbeiten, was beispielsweise sehr sozial eingestellt ist. Oder ich möchte in einem Unternehmen arbeiten, was sehr umweltbewusst eingestellt ist. Ich glaube, da gibt es zunehmend Faktoren, die gar nicht nur die reinen Arbeitsbedingungen betreffen.
Autor (Andreas Brüning):
Annette Tigges-Thies setzt deshalb auf die Kraft von Netzwerken und den Peer-Impuls. Beides ist für sie der Schlüssel für eine erfolgreiche Vermittlung.
Aber wie können Akademiker*innen mit Behinderung darüber hinaus in unserer Gesellschaft sichtbarer werden?
Annette Tigges-Thies (Peer-Bewegung und -support als behindertenpolitisches Instrument)
Ich glaube, es ist immer wichtig, sich mit Gleichgesinnten zusammen zu tun, um einfach stärker zu werden und auch sichtbarer zu werden. Ein Einzelner wird überhaupt nicht gehört, aber wenn es eine ganze Bewegung wird, weil man sich zusammentut, dann wird auch plötzlich reagiert und dann wird es gehört. Und ich glaube, das ist genauso und auch richtig und wichtig, dass sich schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker oder auch sonst Schwerbehinderte insgesamt nicht verstecken, sondern dass sie sich wirklich stark machen, indem sie sich zusammentun.
Autor (Andreas Brüning):
Liebe Hörerinnen und Hörer: Das war der iXNet Podcast mit Annette Tigges Thies.
Im Januar 2023 wird das iXNet-Team Ihnen im Podcast Jürgen Dusel, den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, vorstellen und seine Perspektiven für die Zielgruppe Akademiker*innen mit Behinderung erläutern. Über Ihre Fragen oder Ihr Feedback freuen wir uns. Bleiben Sie gesund und bleiben Sie mit uns in Kontakt. Ihr iXNet-Team für und von Akademiker*innen mit Behinderung in der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV).